Rückblick
Schon 2007 wird in der Strategie eHealth Schweiz 1.0 als Ziel festgehalten, dass Informations- und Kommunikationstechnologien zur Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen eingesetzt werden sollen, um die Prozesse qualitativ besser, sicherer und effizienter zu gestalten. Ende 2015 sollten alle Personen in der Schweiz den Gesundheitsfachpersonen elektronischen Zugriff auf behandlungsrelevante Informationen gewähren können. Der 2013 verfasste Vorentwurf des Bundesgesetzes für das elektronische Patientendossier (EPDG) beinhaltete u.a. eine freiwillige Teilnahme sowohl für Patienten als auch für ambulant tätige Leistungserbringer (Opt-in). Die Zugriffsrechte sollen durch die Patienten verwaltet werden und sie selbst auf ihre Dateien zugreifen können. Für die Sicherheit wird eine elektronische Identität erstellt. Datenzugriffe sind zu protokollieren und 10 Jahre aufzubewahren. Versicherern oder Arbeitgebern ist der Zugriff nicht erlaubt. Zertifizierte Stammgemeinschaften und Gemeinschaften sollen für die Organisation verantwortlich sein. Das EPDG wurde dann am 19. Juni 2015 von Stände- und Nationalrat klar angenommen. Seit April 2020 sind die Spitäler verpflichtet, am EPD teilzunehmen. Neu zugelassene ambulant tätige Ärzte müssen sich seit Januar 2022 einer Stammgemeinschaft oder Gemeinschaft anschliessen. Die ursprünglich per Gesetz vorgesehene «doppelte Freiwilligkeit» ist damit hinfällig. Für Patienten ist die Eröffnung eines EPDs schweizweit seit Juli 2022 möglich. Nicht ganz überraschend war die Akzeptanz bei allen Akteuren bisher gering. Umsetzung, Kosten, administrativer Aufwand und Skepsis hinsichtlich Nutzens des EPDs erschwerten dessen Verbreitung. «Was gibt es noch zu tun bis zur flächendeckenden Verwendung?» ist der Titel des Postulats 18.4328 von Nationalrat Wehrli, zu dessen Erfüllung der BR im Januar 2021 einen ausführlichen Bericht über Massnahmen zur Verbreitung des EPD verfasste. Hiermit wurde eine Revision bereits eingeleitet.
Aktueller Stand
Aktuell gibt es 7 kantonale und kantonsübergreifende Stammgemeinschaften, an die sich Ärzte und Gesundheitsinstitutionen anschliessen und Patienten ihr EPD eröffnen können. Zusätzlich steht ausschliesslich für Gesundheitsfachpersonen die AD Swiss EPD Gemeinschaft zur Verfügung. Laut eHealth Suisse nahmen Stand Anfang Oktober 2023 ca. 16% der Arztpraxen und 51% der Spitäler und 39% der Pflegeheime am EPD teil. Bis September 2023 wurden schweizweit 26749 EPDs eröffnet. Wo liegen die Probleme? Für die Bevölkerung ist sicher der anspruchsvolle Eröffnungs- und Verwaltungsprozess und die fehlende Einsicht der Vorteile eines EPDs massgeblich. Die Akzeptanz soll nun mit erleichterten Prozessen, Schulungs- und Supportdiensten und einer Anfang 2024 vorgesehenen Kampagne des BAG verbessert werden. Auf Seiten der Leistungserbringer gibt es weit grössere Hürden. So fehlt bis jetzt noch die tiefe Integration des EPD in die Praxisinformationssysteme. Folge ist eine doppelte Buchführung mit einer Zunahme der ohnehin schon hohen administrativen Belastung. Einige Praxissoftware-Anbieter sind immerhin schon in Vorbereitung. Hinzu kommen nebst Zeit- auch finanzielle Mehraufwände ohne entsprechende Vergütung. Eine weitere, ungeklärte Frage ist: was soll im EPD abgelegt werden? Es fehlt eine eindeutige Definition «behandlungsrelevanter Daten». Praktikabel wäre aus Sicht der FMH ein minimaler Datensatz aus Diagnosen, Risken, Impfplan und Allergien sowie Medikationsplan. Momentan ist das EPD eine Sammlung von Dokumenten in unstrukturierter Datenform.
Ausblick
Im Juni 2023 hat der BR die Vorlage zur umfassenden Revision in die Vernehmlassung geschickt. U.a. soll eine Ausweitung des Obligatoriums für alle ambulant tätigen Gesundheitsfachpersonen erfolgen. Die Freiwilligkeit wird für Patienten beibehalten, allerdings mit Präferenz des BRs in einem Opt-out-Modell, also Verpflichtung zur Eröffnung des EPDs mit der Option zum Widerruf. Finanzierung und Organisation der EPD-Infrastruktur sind zwischen Kantonen und Bund zu regeln. Ausserdem sollen Daten des EPD für Forschungszwecke genutzt werden können. Für diese Vernehmlassung hat auch die SGDV im Oktober 2023 eine Stellungnahme verfasst, in der die Problempunkte, gerade auch die vorgesehene Verpflichtung zur Teilnahme aller vor 2022 zugelassener, ambulant tätiger Ärzte am EPD, beurteilt wurden. Die Revision wird voraussichtlich im Sommer 2024 im Parlament beraten und frühestens 2028 in Kraft treten. Mehr Informationen zur «never ending story EPD» gibt es unter www.e-health-suisse.ch, www.patientendossier.ch und www.bag.admin.ch.
Autorin
Dr. med. Bettina Schlagenhauff
Bis 2023 Vertreterin der SGDV in derAG eHealth der FMH