In der Berufskrankheiten-Statistik der Schweiz stehen Berufskrankheiten der Haut quantitativ an zweiter Stelle nach den Gehörschäden. Ekzemerkrankungen der Hände stellen den grössten Anteil. In der Liste der schädigenden Stoffe und der arbeitsbedingten Erkrankungen nach Artikel 14 des Anhangs 1 der Verordnung über die Unfallversicherung UVV werden auch «Erkrankungen durch physikalische Einwirkungen» aufgeführt, die unter anderem durch nicht-ionisierende Strahlung, inklusive Ultraviolett (UV), hervorgerufen werden können. Ultraviolett-Strahlung stellt einen Risikofaktor für verschiedene Hautkrebserkrankungen dar [1,2]. Auch an vielen Arbeitsplätzen in Europa sind Beschäftigte hohen Dosen natürlicher UV-Strahlung ausgesetzt [3]. In der Schweiz können Hautkrebserkrankungen daher unter bestimmten Bedingungen als Berufskrankheit anerkannt werden, sofern eine langjährige und intensive berufliche Ultraviolett-Exposition erwiesen ist. Die Prävention arbeitsbedingter Hautkrebserkrankungen durch UV-Strahlung stellt daher eine wichtige und hoheitliche Aufgabe der Suva dar. Diese wird auf den Ebenen der Primärprävention wie auch der Sekundär- und Tertiärprävention wahrgenommen und umfasst auch ein neues Vorsorgekonzept, welchem sich dieser Artikel widmet.
Welche Hautkrebserkrankungen können anerkannt werden
Plattenepithelkarzinome (PEK) der Haut und deren Vorläufer, zu denen als Carcinomata in situ aktinische Keratosen (AK) wie auch der Morbus Bowen zählen, werden zusammen mit Basalzellkarzinomen unter dem Begriff der nicht-melanozytären Hautkrebserkrankungen («weisser Hautkrebs») subsummiert und vom malignen Melanom begrifflich abgegrenzt. PEK der Haut zählen zu den häufigsten Krebserkrankungen überhaupt und nehmen weltweit seit Jahrzehnten bei der hellhäutigen Bevölkerung weiter zu [4]. Während arbeitsbedingte UV-Strahlung als Risikofaktor, insbesondere die chronische, kumulative UV-Exposition, für bestimmte Hauttumore wie PEK und AKs eindeutig belegt werden konnte [2,5], ist die Ursachenbeziehung zwischen UV-Strahlung und den verschiedenen Formen des malignen Melanoms komplexer [6], wobei auch hier UV-Strahlung eine Rolle spielt.
Berufskrankheit Hautkrebs durch Ultraviolett-Strahlung
Bereits seit Einführung des Unfallversicherungsgesetzes UVG 1984 ist Hautkrebs durch arbeitsbedingte UV-Strahlung als Berufskrankheit in der Schweiz anerkennungsfähig. Ab 2010 wurden die Anerkennungskriterien präzisiert und für das Plattenepithelkarzinom nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet, die seit 2015 auch in Deutschland eine Anerkennung als Berufskrankheit erlauben: Die arbeitsbedingte UV-Exposition muss zu einer mindestens 40%igen zusätzlichen, arbeitsbedingten UV-Belastung, im Vergleich zu einer Standardexposition eines Innenbeschäftigten des entsprechenden Lebensalters führen. Grundlage hierfür ist eine erwiesene Risikoverdoppelung für das PEK der Haut und dessen Vorstufen, die ab diesem Dosisverhältnis eintritt [5]. In der Schweiz können, im Gegensatz zu Deutschland, auch Basalzellkarzinome und, wenn auch nur in Einzelfällen, eine Lentigo maligna bzw. Lentigo maligna-Melanom als Berufskrankheit anerkannt werden, sofern die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen und sich der Tumor auf beruflich exponierter und lichtgeschädigter Haut befindet.
Zahlen zu Inzidenzen von beruflichem Hautkrebs in der Schweiz sind nicht publiziert. Schätzungen der Krebsliga Schweiz, die Inzidenzen anderer nordeuropäischer Länder berücksichtigen, gehen von etwa 20.000-25.000 jährlichen Fällen nicht-melanozytärer Hautkrebserkrankungen insgesamt aus (persönliche Mitteilung), woraus sich eine jährliche Inzidenz in einer Grössenordnung von etwa 1000 Fällen von vorwiegend durch Outdoorarbeit verursachten Hautkrebserkrankungen ableiten lässt. Die Zahlen gemeldeter und anerkannter Schadensfälle bei der Unfallversicherung bleiben hinter diesen Zahlen bisher weit zurück. Schwierigkeiten, eine Abgrenzung beruflicher von ausserberuflichen Ursachen vorzunehmen, sowie jahrzehntelange Latenzen bis zur Tumormanifestation, nicht selten erst im Pensionsalter, tragen zu diesem Umstand bei und lassen weder Ärzte, noch die Betroffenen, an die Möglichkeit einer beruflichen Verursachung denken.
Prävention auf allen Ebenen
Die Präventionsanstrengungen der Suva, die im Rahmen der hoheitlichen Aufgabe einer schweizweiten Berufskrankheiten-Verhütung erfolgen, umfassen einerseits verbindliche Vorgaben von Arbeitssicherheitsmassnahmen an Outdoorarbeitsplätzen für Arbeitgebende und Arbeitnehmende. Textile Schutzmassnahmen, geeignete Kopfbedeckung – je nach Jahreszeit - mit Nackenschutz, Stirnblende und die Verwendung von Lichtschutzpräparaten für unbedeckte Hautpartien sind inzwischen verpflichtend umzusetzen. Andererseits wurde ein ambitioniertes arbeitsmedizinisches Vorsorgeprogramm für noch im Beruf stehende Outdoorworker auf den Weg gebracht: UV-bedingte Hautschäden, PEKs und dessen Vorstufen sowie BCCs sollen schon vor Erreichen des Pensionsalters erkannt, behandelt und Betroffene einer intensiven Sekundärprävention für die weitere Berufs- und Lebenszeit zugeführt werden. Damit sollen idealerweise invasive Hautkrebse und ein Fortschreiten von Erkrankungen verhindert werden, mit dem langfristigen Ziel, die Zahlen arbeitsbedingter Hautkrebserkrankungen zu reduzieren.
Konzept der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung
Angesichts geschätzter Zahlen von ca. 400.000 Outdoorworkern in der Schweiz (interne Mitteilung Suva) stellt die Absicht, Beschäftigte von Betrieben betroffener Branchen einer verpflichtenden Vorsorgeuntersuchung zu unterstellen, eine Herausforderung für die Suva dar. Die Vorsorgeuntersuchung ist daher als einmalige Massnahme konzipiert und erfolgt im Lebensalter von 55 Jahren für Beschäftigte mit entsprechendem Risiko. Bei unauffälligem Befund ist eine Aufklärung über die Notwendigkeit von UV-Schutzmassnahmen und die Möglichkeit des Auftretens von (noch arbeitsbedingten) Hautkrebsen im späteren Lebensalter vorgesehen. Werden hingegen bei der Vorsorgeuntersuchung bereits in-situ Carcinomata (AK/M. Bowen) oder gar invasive keratinozytäre Hauttumoren diagnostiziert, wird die Anerkennung als Berufskrankheit geprüft und nachfolgend die notwendige Behandlung durch die Suva übernommen, wie auch Stellung zur weiteren Eignung des Versicherten für die angestammte Tätigkeit mit natürlicher oder künstlicher UV-Strahlung genommen. Letztere wird im Regelfall weiterhin gegeben sein. In Ausnahmefällen könnten fortgeschrittene Erkrankungen (ausgeprägte Feldkanzerisierung mit hoher Krankheitsaktivität, rezidivierende invasive Tumoren) oder dauerhafte Immunsuppression eine weitere Tätigkeitsausübung im Freien als medizinisch nicht mehr vertretbar erscheinen lassen.
Konkretes Vorgehen
2023 wurden rund 3700 Suva-versicherte Betriebe aus zwei Branchen - Gartenbau und Gebäudehülle Schweiz -, zunächst über das Vorsorgeprogramm informiert und dann für diese Pflichtuntersuchung unterstellt. Es handelte sich bei den Beschäftigten vorwiegend um Landschaftsgärtner und Beschäftigte an Dach und Fassade, die eine hohe kumulative UV-Belastung bei der Arbeit aufweisen. Die Betriebe wurden aufgefordert, der Suva alle 55jährigen Beschäftigten zu melden, die dann wiederum einen Fragebogen zur Art und Dauer ihrer Tätigkeit erhalten. Basierend auf den Resultaten berechnet die Suva die bisher kumulierte arbeitsbedingte UV-Dosis und kann anhand der etablierten Kriterien Arbeitnehmende mit hohem Risiko der dermatologischen Untersuchung zuweisen. Für die Kalkulation der jährlichen UV-Dosen werden die dosimetrisch für unterschiedliche Berufsgruppen ermittelten Werte der UV-Genesis Studie zugrunde gelegt [7]. Nur diejenigen qualifizieren zur klinischen Untersuchung, bei denen eine mindestens 40%ige zusätzliche, arbeitsbedingte UV-Belastung im Vergleich zur bis zum entsprechenden Lebensalter ausserberuflich erworbene kumulativen UV-Dosis bereits vorliegt [5]. Die bisherige Erfahrung der aktuellen Pilotphase, dass bei etwa 60% der gemeldeten 55Jährigen dieses Kriterium zutrifft, belegt die Relevanz des Vorsorgekonzepts und steht in Übereinstimmung mit Resultaten einer Studie in Europa, in der hohe berufliche UVR-Dosen dokumentiert wurden [3]. An den dermatologischen Untersuchungen, die mittels eines standardisierten und HIN-gesicherten Untersuchungs-Bogens erfolgen, beteiligen sich aktuell schweizweit 11 dermatologische klinische Zentren, die zum Stand des Redaktionsschlusses etwa 120 der bisher identifizierten Versicherten dermatologisch untersucht haben.
Vorläufige Ergebnisse
Bei rund 30% der untersuchten 55Jährigen wurden klinische Zeichen eines benignen chronischen Lichtschadens wie Cutis rhomboidalis nuchae, Erythrosis interfollicularis colli, solare Lentigines, aktinische Elastose dokumentiert. Bei nahezu 20% der Untersuchten wurden bereits AKs, davon bei etwa der Hälfte der Betroffenen multiple AKs, diagnostiziert. Vereinzelt wurden Basalzellkarzinome festgestellt. Invasive PEK fanden sich in der aktuellen Pilotphase bisher nicht, was angesichts des verhältnismässig jungen Alters der Untersuchten wenig verwundert [8,9]. In einem Fall wurde nebenbefundlich ein an einem nicht beruflich exponierten Hautareal befindliches malignes Melanom diagnostiziert.
Ausblick: UV-Vorsorge quo vadis?
In 2024 werden zunächst dieselben Betriebe erneut zur Meldung der nun 55Jährigen für die Vorsorge aufgefordert werden. 2023 wurde die im Voraus geschätzte Anzahl zu untersuchender Personen noch nicht erreicht. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Ein neues Vorsorgeprogramm dieses Umfangs auf den Weg zu bringen, stellt administrative Herausforderungen sowohl für die Suva als auch für die beteiligten Betriebe und Kliniken dar. Es wird daher erwartet, dass die Zahlen der zu befragenden und auch klinisch zu Untersuchenden in 2024 im Vergleich zu 2023 höher liegen werden, und dies bereits ohne Ausweitung des Vorsorgeprogramms auf weitere Risikobranchen. Entscheidungen zur künftigen Ausweitung des Vorsorgeprogramms werden auch anhand vorhandener Kapazitäten zu treffen sein. Angesichts der Anzahl notwendiger Untersuchungen sind auch medizinisch-technische Massnahmen zur Entlastung der dermatologischen Zentren Gegenstand der internen Diskussion. In Zusammenarbeit mit der SGDV wird die Suva fortlaufend versuchen, administrative Prozesse zu optimieren und die dermatologischen Zentren bei der Umsetzung bestmöglich zu unterstützen. Die Präventionsanstrengungen sind dann klar gerechtfertigt, wenn sie dazu beitragen, fortgeschrittene invasive, beruflich bedingte Hautkrebserkrankungen zu verhindern. Um zu zeigen, ob dieser Anspruch erfüllt werden kann, ist noch ein langer Atem erforderlich. Dies wird sich voraussichtlich erst nach weiteren 5-10 Jahren nachweisen lassen.
Keratinozytäre Hautkrebserkrankungen, die bei Personen mit arbeitsbedingt intensiver und langjähriger natürlicher oder künstlicher UV-Strahlung auch ausserhalb des Vorsorgeprogramms an arbeitsbedingt exponierten Hautarealen diagnostiziert werden, können der Unfallversicherung weiterhin per Schadensmeldung angezeigt werden, sofern diese Personen unfallversichert sind oder waren. Grundsätzlich ist für eine Schadenmeldung derjenige Betrieb zuständig, bei dem zuletzt eine Outdoortätigkeit verübt wurde. Eine formlose Schadenmeldung ist auch durch den Betroffenen oder durch behandelnde Ärzte möglich, sofern die betroffene Person damit einverstanden ist, falls kein Arbeitsverhältnis mehr besteht.
Autoren
Sibylle Schliemann, Christine Marty, Hanspeter Rast, Manuel Rodriguez, Roland Krischek, Anja Zyska Cherix
Abteilung Arbeitsmedizin Suva, Luzern
Referenzen
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Ärztlicher Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministeriumfür Arbeit und Soziales. Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen". Gemeinsames Ministerialblatt (GMBI)2011. p. 983-93.
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