Auf Initiative der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) bzw. der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) wurde im Jahre 2014 nach dem Vorbild der Kampagne aus den USA die «Smarter-Medicine-Kampagne» in der Schweiz lanciert. Die Basis bilden Top-5-Listen aus jeder klinischen Fachdisziplin, welche je fünf medizinische Massnahmen enthalten, auf die in der Regel verzichtet werden kann bzw. sogar unnötig sind. Die Listen sollen Qualitäts-, Sicherheits- und Kostenbewusstsein innerhalb der Ärzteschaft fördern.
Die SGDV trägt diese sinnvolle Kampagne mit und hat eine Top-5-Liste für die Dermatologie entwickelt.
Vertreterinnen und Vertreter der SGDV haben Ansätze und Erfahrungen aus der Praxis zusammengetragen, mittels medizinischer Literatur geprüft und untermauert und anschliessend alle Mitglieder um Rückmeldungen und Kommentare gebeten. Die finalisierte Top-5-Liste ist vom Vorstand der SGDV überprüft und genehmigt.
Top-5-Liste Dermatologie und Venerologie
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Antibiotikaprophylaxe
Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe ist bei Hauteingriffen ohne zusätzliche Risikofaktoren nicht notwendig
Das Risiko von Wundinfektionen bei dermatologischen Interventionen ist im Allgemeinen gering. Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe muss insbesondere bei folgenden Risikofaktoren evaluiert werden:
- Kontaminierte resp. infizierte Wunden
- Lokalisation: untere Extremität (v.a. unterhalb des Knies), Leistenregion, Keilexzisionen an Ohr oder Lippe, Lappenplastik im Nasenbereich, Schleimhauteingriffe, zweizeitiger Wundverschluss, stark entzündliche Hauterkrankungen
- Patienteneigene Faktoren: Alter >70 Lj., Rauchen, Immunsuppression, Malnutrition, schwere systemische Erkrankungen, MRSA/MSSA-Träger, Hepatitis ± Leberzirrhose, periphere Ödeme, Lymphangitis, vorausgegangene Antibiotikatherapie, Neuropathie, Infektionen anderer Lokalisationen
Eine Endokarditisprophylaxe ist bei entsprechenden Hochrisikopatienten (z.B. Herzklappenprothesen, St. n. Endokarditis, gewisse kongenitale Herzvitien) lediglich bei infizierten Wunden und Schleimhauteingriffen notwendig.
Literatur: Lammer J et al: Perioperative Antibiose in der Dermatochirurgie – Stand 2019. Hautarzt 2019;70:842-849; Barbieri JS et al: Use of Antibiotics for Dermatologic Procedures From 2008 to 2016. JAMA Dermatology 2019;155:465-470; Liu X et al: Risk Factors for Surgical Site Infections in Dermatological Surgery. Acta Derm Venereol 2018;98:246-250; Saleh K et al: Surgical site infections in dermatologic surgery: etiology, pathogenesis, and current preventative measures. Dermatol Surg 2015;41:537-549)
2
Antikoagulation bei dermatochirurgischen Eingriffen
Bei dermatochirurgischen Eingriffen ist in der Regel kein Absetzen der Antikoagulation nötig
Das Blutungsrisiko ist bei Hauteingriffen, inklusive einfachen Lappenplastiken, generell klein und es existieren keine Berichte über lebensgefährliche Blutungen. Die Gefahr thromboembolischer und thrombotischer Komplikationen nach Ab- oder Umsetzen von Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoagulanzien ist deswegen in der Regel höher zu gewichten als ein blutungsbedingtes Operationsrisiko. Die wissenschaftliche Datenlage unterstützt dieses Vorgehen insbesondere bei einer Monotherapie mit Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmern. Bei kombinierten, mit erhöhtem Blutungsrisiko assoziierten Therapien (beispielsweise ASS und Clopidogrel) sowie bei den diesbezüglich weniger gut untersuchten neueren oralen Antikoagulantien (Faktor-Xa-Hemmer) ist ein individuelles und risikoadaptiertes Vorgehen in Absprache mit Gerinnungsspezialisten erforderlich. Erwähnenswert ist es, dass die frühere Technik des „Bridgings“ von oraler Antikoagulation auf Heparin das Blutungsrisiko sogar erhöht. Die wissenschaftlichen Fakten zeigen also, dass in den meisten Situationen die Antikoagulation für einen hautchirurgischen Eingriff nicht unterbrochen werden muss. In Ausnahmefällen („grosse Chirurgie“) muss individualisiert vorgegangen werden.
Literatur: Palamaras I et al: Perioperative management of and recommendations for antithrombotic medications in dermatological surgery. Br J Dermatol 2015;172:597-605; Callahan S et al: The management of antithrombotic medication in skin surgery. Dermatol Surg 2012;38:1417-1426; Siegal D et al: Periprocedural heparin bridging in patients receiving vitamin K antagonists: systematic review an meta-analysis of bleeding and thromboembolic rates. Circulation 2012;126:1630-1639; Koenen W et al: Prospective multicentre cohort study on 9154 surgical procedures to assess the risk of postoperative bleeding – a DESSI study. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2017;31:724-731.
3
Mykotische Systembehandlungen bei Nagelpilzverdacht
Mykotische Systembehandlungen bei Nagelpilzverdacht sollten nur bei Pilznachweis erfolgen
Eine Onychomykose wird meistens durch Dermatophyten (häufig Trichophyton rubrum und Trichophyton interdigitale) verursacht. Diese sind in der Regel gegenüber Standardbehandlungen mit Azolderivaten und Terbinafin sensibel, gegenüber Terbinafin wurden jedoch bereits Resistenzen beschrieben. Zusätzlich kann ein Nagelpilz auch durch Nicht-Dermatophyten wie Schimmel- (Candida spp.) und Hefepilze (z.B. Fusarium spp. und Aspergillus spp.) entstehen. Während Schimmelpilze nur auf Azolderivate ansprechen, sind Hefepilze einer systemischen antimykotischen Standardbehandlungen nicht zugänglich. Schliesslich können zahlreiche weitere Ursachen (z.B. Psoriasis, Lichen ruber, vaskuläre Insuffizienz, mechanische und chemische Irritationen etc.) zu dystrophen Nägeln führen. Auch um das Risiko von unerwünschten medikamentösen Nebenwirkungen zu reduzieren, sollte deswegen vor einer antimykotischen Therapie die Pilzdiagnose mikrobiologisch bestätigt werden.
Literatur: Ameen M et al: British Association of Dermatologists‘ guidelines for the management of onychomycosis 2014. Br J Dermatol. 2014; Hasche EG et al: Onychomykose: Konzepte für die Praxis. Hautarzt 2018;69:718-725; 171:937-958; Monod M et al: Recent Findings in Onychomycosis and Their Application for Appropriate Treatment. J. Fungi 2019;5)
4
Behandlung von entzündlichen Dermatosen
Entzündliche Dermatosen sind primär mit topischen und nicht mit systemischen Kortikosteroiden zu behandeln
Grundsätzlich kann zwar der kurzfristige Einsatz systemischer Kortikosteroide schwere Symptome lindern, allerdings droht nach deren Absetzen nicht selten ein rasches Rezidiv (sogenannter Reboundeffekt). Eine Langzeitbehandlung mit systemischen Kortikosteroiden kann unter Umständen schwerwiegende kurz- und längerfristige Nebenwirkungen verursachen. Ausnahmen von dieser Regel können schwere, akute Arzneimittel- und anaphylaktische Reaktionen sowie generalisierte oder therapieresistente Dermatosen sein.
Literatur: Sidbury R et al: Guidelines of care for the management of atopic dermatitis: section 3. Management and treatment with phototherapy and systemic agents. JAAD 2014;327-349; Kolios AG et al: Swiss S1 Guidelines on the Systemic Treatment of Psoriasis Vulgaris. Dermatology 2016;232:385–406; Ständer S et al: S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus 05/16; Manousaridis I et al: Individualizing treatment and choice of medication in lichen planus: a step by step approach. J Dtsch Dermatol Ges. 2013;11:981-991; Brockow K: Arzneimittelreaktionen vom Soforttyp. Hautarzt 2014;656:409-414; Ziemer M: Kutane Arzneimittelreaktionen vom Spättyp. Hautarzt 2014;65:397-408; Kuhn A et al: S2k guideline for treatment of cutaneous lupus erythematosus – guided by the European Dermatology Forum (EDF) in cooperation with the European Academy of Dermatology and Venereology (EADV). J Eur Acad Dermatol Venereol. 2017;31:389–404; Feliciani C et al: Management of bullous pemphigoid: the European Dermatology Forum consensus in collaboration with the European Academy of Dermatology and Venereology. Br J Dermatol. 2015;172:867-877
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Serologische Testungen bei Herpes
Serologische Testungen zur Diagnostik von Herpes-simplex-Virus-Infektionen der Haut sind zu vermeiden
Positive serologische Reaktionen sind meistens Ausdruck einer chronischen Infektion, während bei einer primären akuten Infektion der Antikörpertiter noch falsch negativ ausfallen kann. Bei lokalen Rezidiven sind in der Regel weder IgM-Antikörper noch nennenswerte Anstiege der IgG-Antikörper nachweisbar.