Professor Michael Hertl ist seit 20 Jahren Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Universitätsklinikums Marburg, welches das einzige privatisierte Universitätsklinikum in Deutschland ist. Hertl ist für die universitären Aufgaben in Lehre und Forschung als C4-Professor vom Land bestellt und übt damit eine Doppelfunktion als Beamter des Landes Hessen und Direktor eines privaten Klinikums der Rhön AG aus. «Ich sehe diesen Spagat mit Doppelfunktion als eine Herausforderung, eine wissenschaftlich getriebene, nach den neuesten Standards orientierte Medizin zu betreiben und auch sichtbare Akzente in der Forschung zu setzen. Im klinischen Alltag gelten natürlich auch wirtschaftliche Aspekte, diese dürfen aber nicht handlungsbestimmend sein und sind es für mich in den letzten 20 Jahren auch nie gewesen», so Hertl und weiter: «Ich fühle mich hoch geehrt, die Auszeichnung als Ehrenmitglied der SGDV zu erhalten. Die Schweizer Gesellschaft für Dermatologie ist sehr international aufgestellt und orientiert sich an dem Besten, was deutschsprachige und französische Dermatologie zu bieten hat.» Durch die langjährige Zusammenarbeit in Form von Publikationen und gemeinsamen Forschungsprojekten fühlt sich Hertl mit vielen Schweizer Kolleginnen und Kollegen sehr verbunden. Er schätzt die klar definierten und transparenten Standards, welche der Schweizer Nationalfonds festgelegt hat, um hochqualifizierte Forschung zu fördern und findet, dass die Schweiz an internationalen Kongressen immer sehr sichtbar vertreten ist. «Die Reiselust haben Schweizer und Deutsche gemeinsam», so Hertl.
Auf die Frage, welches Gebiet ihn am meisten interessiert, antwortet Hertl: «Mein Herz schlägt für die entzündlichen Hauterkrankungen und Autoimmundermatosen. Im Zeitalter der Biologics und zielgerichteter Therapien haben wir unfassbar gute und viele Möglichkeiten, entzündliche Hauterkrankungen pathogeneseorientiert sehr gezielt und wirksam zu behandeln.» Im Besonderen faszinieren Hertl Autoimmunerkrankungen, die selten sind und über weniger Therapiemöglichkeiten verfügen als häufigere Hauterkrankungen. «Mittlerweile ist die Entzündungsmedizin auch Dreh- und Angelpunkt der Tumortherapie geworden. Die Immune Checkpoint-Inhibitoren sind fester Bestandteil nicht nur der Dermato-Onkologie», so Hertl. Der wissenschaftliche Schwerpunkt von Hertls Karriere sind die blasenbildenden Erkrankungen, insbesondere der Pemphigus, eine Modellerkrankung antikörpervermittelter Autoimmunität mit gut definierten Autoantigenen und einer gut verstandenen Pathogenese, wie Hertl erklärt. Er sagt: «Wir versuchen ähnlich wie bei der Hyposensibilisierung bei Allergien wieder eine natürliche Toleranz gegen die Autoantigene der Haut herzustellen. Diese Ansätze sind dann vielleicht auch bei häufigeren Immunerkrankungen wie den Allergien einsetzbar.»
Hertl hatte die Möglichkeit über zwei Stipendien der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine sehr gute wissenschaftliche Ausbildung in den USA zu erhalten, wofür er dankbar ist. «In den USA habe ich auch Luca Borradori kennengelernt, und wir sind seitdem sehr gute Freunde geblieben», so Hertl. An den National Institutes of Health hat Hertl sein Interesse an der Immunpathogenese des Pemphigus entdeckt, dieses mit nach Deutschland gebracht und dort mehrere Generationen junger Ärztinnen und Ärzte für dieses Themas begeistern können. Er sagt: «Zuletzt ist es uns beim Pemphigus gelungen, über präklinische Tiermodelle eine wissenschaftliche Phase 1-Studie durchzuführen, um eine spezifische T-Zell-Toleranz gegen das Autoantigen Desmoglein 3 wieder therapeutisch herzustellen. Also, wenn man so will: Bench to Bedsite-Forschung vom Reagenzglas über die Maus bis zum Patienten.»
Zukünftigen Dermatologinnen und Dermatologen möchte Michael Hertl folgenden Rat mit auf den Weg geben: «Man sollte Arbeit nicht nur als lebenserhaltende Überlebensstrategie sehen. Wissenschaftliche Arbeit kann sehr kreativ, erfüllend, und originell sein, braucht Teamwork zum Erfolg und verbindet über Mentorship Generationen. Gerade die Kombination von klinischen Fragestellungen und Grundlagenforschung finde ich spannend, auch für klinisch tätige Dermatologinnen und Dermatologen. Durch die Forschung und die damit verbundene Mobilität bin ich in meinem Leben viel herumgekommen, habe vieles gesehen und gelernt, habe immer wieder mal über den Tellerrand geschaut und mir ein Netzwerk aus Freunden aufgebaut. Was will man mehr?»